Ausschnitt der Ansprache von Frau Dr. Hille-Sandvoß ( Kunsthistorikerin)
zur Ausstellung "Die Neuen der Gedok A46" im BBK-Haus Düsseldorf
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Wenden wir uns nun der nächsten Künstlerin zu: Sandra Friedrich. Von ihr stammen die Bilder hier an der Wand vor uns und seitlich davon. Unschwer ist zu erkennen, dass die Hasen ein zentrales Motiv darstellen. Auch wird eine enge Verbindung zwischen Mensch und Tier geschaffen. Die Künstlerin verbindet in ihren Arbeiten bewusst malerische und zeichnerische Elemente. Der Hase verkörpert für sie einerseits ein Symbol für Wiedergeburt und Kreislauf und andererseits lädt seine reine Form auch dazu ein, mit ihm spielerisch umzugehen und ihn in verschiedene Situationen und Kontexte zu setzen. Auch die figürliche Nähe zum Menschlichen macht er klaglos mit. Das Tier selbst hat aber auch ein eigenes Spannungsverhältnis, das zwischen Niedlichkeit – denken wir an Spielzeughasen – und Tragik, die in der großen Verletzlichkeit liegt. Darauf spielt der Hase im Kreis an: Er ist inspiriert vom sogenannten Rollhasen, den Jäger – ähnlich wie Tontauben – aus Trainingsgründen verwenden, um das über den Boden laufende Tier in freier Wildbahn erlegen zu können. Bereits im mythologischen Kontext symbolisiert der Hase Fruchtbarkeit und Vitalität – ich habe sogar einen Beleg dafür gefunden, dass der Hase für die Kühnheit in der Liebe stehen kann. Aber als leicht jagdbares und dabei wohlschmeckendes Wild unterliegt er natürlich auch einer großen Gefährdung. Und in diesem Spannungsfeld (natürlich ohne die kulinarische Konnotation) sieht die Künstlerin auch den Menschen selbst. Daher rührt die Idee von der Vermischung menschlicher und tierischer Komponenten. Dies wird in anderen Bildern noch deutlicher, wenn hier mit dem Reh eine zusätzliche Komponente ins Spiel kommt. Das Reh mit deutlich menschlich-weiblichen Attributen wird mit einer Katze kombiniert wird: letztere steht für den freien Willen und macht das Bild dadurch zu einem gemalten Plädoyer für weibliche Selbstbestimmung.
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©Dr. Angelika Hille-Sandvoß
Text aus dem Katalog "Reichweite", erschienen anlässlich eines Arbeitsaufenthaltes der Gedok A46 mit anschließender Ausstellung
von Sigrid Boomen-Radermacher ( Kunsthistorikerin)
"Das große Thema der Viersener Malerin Sandra Friedrichs kreist um die historische Entwicklung der Verbindung zwischen Mensch und Tier. Damit gibt sie der Idee des Mottos "Reichweite" eine neue Dimension. Tierische Begegnungen bilden die Basis ihrer Bilder. Sie beschäftigt sich sowohl mit alten Mythologien, als auch mit aktuellen Situationen, ausgehend von der Tatsache, dass die Ursprünge der Malerei nicht nur im Menschen sondern auch im Tierbild liegen.
Dem Tier wohnte in frühesten Zeiten der Menschheitsgeschichte eine vielfältige Palette an Bedeutungen inne: es war Begleiter des Menschen, es hatte magische Kräfte, es konnte das Leben des Menschen erhalten, retten oder zerstören. Im Laufe der Entwicklung der Menschheit verloren sich diese Bedeutungen zunehmend. Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier erfuhr eine deutliche Veränderung.
In Friedrichs Gemälden, in denen sie sich einer Mischtechnik aus Acrylmalerei, Tusche, Kohle und Pastellkreiden bedient, greift sie die Beziehung zwischen Mensch und Tier auf, ohne den Menschen tatsächlich ins Bild zu setzen. Er ist es, der außen steht, vor dem Bild und von dort den gedanklichen Kontakt aufnimmt. Zwar geht Friedrichs, um ihre Bildwelten zu komponieren, oft von realistischen Situationen aus, verfremdet aber während des Malprozesses die Motive, löst sie auf, überlagert eine Bildgeschichte mit neuen Erzählungen, fügt Zeichnerisches hinzu.
Es entstehen träumerische Bildwelten voller unausgesprochener Andeutungen und Geschichten, die sich auf einem Grat zwischen Realität und Fiktion bewegen."